Attraktiv und funktional: Eye-Catcher vom hiesigen Designnachwuchs

23.04.2024 von Rebecca Pozzoli Reportage

Fünf Standorte, jährlich 70’000 Besucherinnen und Besucher, 30 Jahre Erfahrung: Die BLICKFANG ist Europas grösste Messe für Designerinnen und Designer, die ihre unkonventionellen, hochwertigen Möbel-, Mode- und Schmuckdesigns sowie attraktiven Wohnaccessoires präsentieren und verkaufen möchten. In Basel zeigen heuer über 130 innovative Labels manufakturiell gefertigte, lokal produzierte Eye-Catcher. Doch es sind nicht nur bekannte Namen am Start, auch fünf junge Designerinnen und Designer, zum Teil noch mitten im Studium, zeigen Möbel, wie sie die Welt so noch nicht gesehen hat.

Die BLICKFANG hat sich als einer der wichtigsten Treffpunkte innerhalb der internationalen Designszene etabliert. Sie bietet bekannten und weniger bekannten Labels eine Plattform, um ihre Kreationen einem breiten Publikum zu präsentieren – jenseits von Massenware und Mainstream. Hier erreichen Produkt- und Industriedesigner/innen potenzielle Kundschaft, die an Designtrends, Ästhetik und innovativen Produkten interessiert ist. Im Unterschied zu Bildenden Künstler/innen haben es sich die Designerinnen und Designer zum Ziel gesetzt, ihre Objekte stets gleichermassen attraktiv, funktional und zweckorientiert zu gestalten. Ihr Design orientiert sich primär am Menschen und seinen vielfältigen Bedürfnissen. Um es zu optimieren, bilden sie sich weiter und besuchen eine höhere Fachschule oder Hochschule im In- oder Ausland.

Die BLICKFANG Messe in Basel, März 2024
Wir geben euch einen Einblick in die BLICKFANG

Bühne frei für den talentierten Nachwuchs

Nicht nur renommierte Labels werden an der BLICKFANG zum Eye-Catcher. Die Kuratorinnen und Kuratoren der Messe führen regelmässig Wettbewerbe durch, die es den Gewinnerinnen und Gewinnern ermöglichen, ihre Designobjekte kostenlos an verschiedenen Messestandorten zu präsentieren oder ein Preisgeld einzuheimsen. So unterstützen sie Studierende dabei, mit einem grossen Publikum in Kontakt zu kommen und ausserhalb der Hochschullandschaft spannende Inputs zu ihren Designs zu erhalten. Gleichzeitig steigern sie so den Bekanntheitsgrad von besonders überzeugenden Designobjekten. Fünf Labels haben in diesem Rahmen in Basel das Publikum begeistert.

«Doma 9», das Steigmöbel der besonderen Art

Das Steigmöbel "Doma 9" ©Doma9
Das Steigmöbel "Doma 9" ©Doma9

Schon Mani Matter hat das «Chuchitaburettli» besungen, das dazu dient, in der Küche die höher gelegenen Regale besser zu erreichen: ein funktionaler Schemel ohne jeden Charme. Doch «Steighilfe» geht auch anders! Das beweist der 24-jährige, gelernte Schreiner Domagoj Marsicek, der an der New Design University in Österreich im 2. Semester Produktdesign studiert. Er hatte zur Aufgabe, ein Steigmöbel zu gestalten, das als innovative Lösung für platzsparendes Wohnen dient, funktional und flexibel ist. Marsicek hat sich an ein Möbel erinnert, das er bereits während der Lehre designt hat und das sowohl als Steighilfe, wie auch als Sitzgelegenheit dient. Daraus ist schliesslich DOMA9 entstanden, ein aus 9 Teilen bestehendes und auf das Wichtigste reduziertes Steigmöbel, das in den verschiedensten Räumlichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer mehr multifunktionale Anwendungsmöglichkeiten bietet, als allein das Hinauf- oder Hinabsteigen. Denn je nachdem, was gerade gebraucht wird, kann DOMA9 auch als Hocker oder funktionaler Beistelltisch eingesetzt werden. Es besteht aus geölter und polierter Esche und kann in verschiedenen Farben erworben werden. Marsicek ist die Funktionalität und Qualität seiner Produkte besonders wichtig: «Mein Grundgedanke ist bei allem, was ich entwickle, ein simples und vor allem selbsterklärendes Produkt zu designen. Bei Möbeln sind mir innovative Lösungen für platzsparendes Wohnen und vielseitige Möglichkeiten, um einen begrenzten Raum optimal zu nutzen, wichtig. Zudem sollten die Möbel hochwertig verarbeitet sein, damit sie lange erhalten bleiben. Zeitloses Design, das sich in jede Stilart des Wohnraumes unaufdringlich einfügt und ihn damit optisch und funktional aufwertet, ist für mich ein Muss.»

«KROM», ein nachhaltiger Raumteiler aus Hanffaserplatten

KROM, Raumteiler aus Hanffaserplatten ©KROM
KROM, Raumteiler aus Hanffaserplatten ©KROM

Hannah Kissling und Malin Lutze studieren Innenarchitektur an der Hochschule Mainz. Weil der materialgerechte Einsatz von Werkstoffen und Verarbeitungstechnologien ein entscheidender Faktor beim Gestaltungsprozess ist, haben sich Kissling und Lutze intensiv mit nachhaltigen Materialien auseinandergesetzt und die experimentelle Auseinandersetzung damit in den Mittelpunkt ihrer Produktentwicklung gestellt. Im Projekt «Material als Design-Impuls» von Professor Bernd Benninghoff, sind ihnen dafür vom Möbelhersteller Vepa mit Bio-Harz imprägnierte Hanfmatten- und Fasern zur Verfügung gestellt worden. Dieses neuartige Material ist aus einer besonderen Entwicklungskooperation zwischen Vepa und Plantics entstanden: Die Matten sind vollständig recyclebar und entsprechen dem ökologischen Kreislaufprinzip. Daraus haben die beiden Studentinnen mit KROM einen modularen, nachhaltigen Raumteiler erschaffen, der innovativ, zerlegbar und kompostierbar ist. Durch leichte C-Schwünge der beiden Module lassen sich individuelle Formen im Raum kreieren. Der Auf- und Abbau des Raumtrenners ist einfach und schnell durch aufsteckbare Verbindungsteile zu bewerkstelligen. Nach Belieben können die Modultaschen mit Pflanzen oder Magazinen gefüllt werden. Die Raumteiler eignen sich z.B. für Grossraumbüros, die optisch unterteilt werden sollen. Die Höhe kann individuell angepasst werden. Kissling und Lutze sind überzeugt: «Es liegt in unserer Verantwortung, die zukünftige Möbelproduktion wieder langlebiger und vor allem nachhaltig zu gestalten. Im Laufe des Projektes hat uns der Nachhaltigkeitsaspekt sehr beschäftigt und massgeblich dazu beigetragen, dass KROM nun so aussieht.»

«Vaseboard», wo Vasen mehr als bloss schmückendes Beiwerk sind

Regalsystem mit integrierter Vase ©Vasebord
Regalsystem mit integrierter Vase ©Vasebord

Vaseboard ist das weltweit erste Regalsystem mit integrierter Vase für eine sichere und besondere Interiorbegrünung. Gestaltet haben das Vaseboard Philipp Hess (Gründer & Geschäftsführer) und seine Partnerin Luisa Heitele (Marketing & Design). Hess erzählt schmunzelnd, dass die beiden nicht nur geschäftliche Partner, sondern auch privat ein Paar seien. Auf einer Reise in südliche Gefilde habe er sich gelangweilt und schliesslich spontan zum Stift gegriffen und mit Kritzeln begonnen. Bei der genaueren Betrachtung seiner Kritzeleien sei dem Modellbau- und Architektur-Studenten schliesslich die zündende Idee, der Geistesblitz gekommen: Vasen sollen mehr als nur schmückendes Beiwerk sein – sie sollen als Befestigungssystem für ein Regal zum individuellen Ausdruck werden, dem neu erfundenen Vaseboard. Dank des Baukastensystems können Käuferinnen und Käufer die Vasen spielend leicht zusammenschrauben, ganz nach dem eigenen Gusto und Stil. Die Elemente gibt es in verschiedenen Farben, mit oder ohne eingebaute Lichtspots. Die Vasen sind zeitlos, schlicht und sicher, denn sie können nicht umfallen und ausleeren, wie herkömmliche Blumengefässe. Das Konzept von Hess und Heitele ist bestechend: «Für unsere Produkte wählen wir bewusst biologische, ressourcenschonende und recyclingfähige Materialien. Die Vasen werden mittels modernste Fertigungsverfahren, insbesondere dem 3D-Druck, aus Maisstärke produziert. Das Holz für die Regale beziehen wir aus der Schreinerei eines Freundes aus dem Nachbardorf.»

«SurfBench», mehr als ein Sitzmöbel: eine Bewegungsskulptur

Als Abschlussprojekt seines Maschinenbau- und Designstudiums hat Kim André Lange, ein begnadeter junger Designer aus dem süddeutschen Raum, etwas ganz Spezielles entworfen: Seine SurfBench lässt die Leute wie auf Wellen warten. Jedes Holzelement der Bank bewegt sich sanft und wellenförmig, was etwas scheinbar Banales, wie das sich Hinsetzen und Warten, zum einmaligen Erlebnis macht. Lange hat dabei auf der Grundlage seiner Ausbildung an technischen Schulen und seines Wissens über Physik und Materialien, Zweckmässigkeit und Ästhetik miteinander verbunden und gleichzeitig ungewohnte Elemente eingebaut. Ohne Strom und Motoren verlässt sich das Sitzmöbel auf einen intelligenten Mechanismus, der kinetische Energie in eine leichte Wellenbewegung umwandelt. Beim Sitzen ist diese Bewegung kaum spürbar, doch bei Bewegungen entfaltet sie ihre faszinierende Dynamik. Hergestellt in Norditalien, vereint die Bank personalisierte Interaktion mit einer beruhigenden Wirkung. Ihre austauschbaren Teile verlängern ihre Lebensdauer und tragen somit zu einer nachhaltigen Nutzung bei. Lange hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Umgebung zu verschönern: «Ich möchte mit der SurfBench Freude durch visuellen und sensorischen Genuss sowie fortschrittliche Benutzerfreundlichkeit vermitteln und das Bewusstsein der Betrachterinnen und Betrachter für die Schönheit, die uns umgibt, schärfen.»

«Corunicum» lässt das Herz höherschlagen

Garderobe "Corunicum" ©Corunicum

Dominique Olivier Stucky hat sich der «New Simplicity» verschrieben, einer Designrichtung, die versucht, Produkte wieder schlichter, begreifbarer und organischer zu gestalten. Denn viele Menschen sehnen sich vermehrt nach Dingen, die das immer komplexer werdende Leben und Arbeiten erleichtern. Diesem Bedürfnis trägt Stuckys Garderobenwand «genius 77» Rechnung, die für Einfachheit steht; Einfachheit, die gleichzeitig vielschichtig ist. Ohne dass die Garderobe dominant wirkt, findet sich darin stets Platz für diverse Jacken, Taschen und Alltagsgegenstände. Um diese aufzuhängen, können Holzhaken ausgeklappt werden, mal mehr und mal weniger, je nach Bedarf. Stucky ist überzeugt: «Die Individualität der Garderobe erinnert an ein Kaleidoskop, das bei jeder Drehung ein neues Muster und Farbenspiel entstehen lässt. Nicht zuletzt ist das Ausleben der Individualität auch deshalb ein freudvolles Unterfangen, weil es spielerisches Ausprobieren des göttlich Mannigfaltigen ermöglicht.»

Die jungen Designerinnen und Designer haben mit ihren innovativen Produkten sämtliche Erwartungen übertroffen. Und auch Dieter Hofmann, Gründer und Geschäftsführer der Designmesse BLICKFANG ist zufrieden: «Wir freuen uns sehr, dass die Messe bei Designlabels, Besucherinnen und Besuchern so grossen Anklang gefunden hat. Basel hat seinem Ruf als kunst- und designaffine Stadt erneut alle Ehre gemacht.»

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