Buchhandel – zwischen gestern und heute

06.02.2024 von Evelyn Hartmann Reportage

Buchhandel – zwischen gestern und heute

Im Buchhandel hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan. Als ich vor rund 25 Jahren meine Lehre als Buchhändlerin abgeschlossen habe, war die digitale Welle gerade erst im Anrollen. Informationen, die man heute leicht googeln oder auf Wikipedia nachlesen kann, musste man damals in Büchern und dicken Lexika nachschlagen, branchenspezifische Suchprogramme liefen schwerfällig auf DOS-Basis und Arbeitsabläufe erfolgten nach analogen Systemen. Darjan Böller gehört mit seinen 15 Jahren zu den Digital Natives und hat seine Ausbildung im Sommer 2023 begonnen. Ich habe ihn besucht, um mit ihm über die heutige Lehre zum Buchhändler oder zur Buchhändlerin zu sprechen.

Wie immer, wenn ich eine Buchhandlung betrete, geniesse ich die heimelige Atmosphäre, die von den wohlgeordneten Bücherregalen und sorgfältig gestalteten Auslagen mit den Neuerscheinungen ausgeht. Der Geruch von Druck und Papier liegt in der Luft, und die verheissungsvolle Möglichkeit, in irgendeiner der vielen Welten, die hinter jedem Buchrücken schlummern, eine wichtige Entdeckung zu machen. Offensichtlich konnte sich die Buchhandlung als Ort, an dem Literatur, Kultur und Wissen vermittelt wird, entgegen so mancher Befürchtung, halten – trotz vielfältiger neuer Informationskanäle und Medienformate, Digitalisierung, Fall der Buchpreisbindung und Online-Handel. Es war eine Zeit lang oft die Frage, ob das Buch überhaupt eine Zukunft habe. Doch wer einen Sinn für Bücher hat, weiss, dass sich die sinnliche Erfahrung beim Lesen von einem gedruckten Buch, das man in den Händen hält, nie ganz ersetzen lässt. Auch wenn E-Reader, Internet und Co. zweifelsohne ihre Vorteile haben.

Darjan Böller arbeitet in der Buchhandlung Librium Bücher AG in Baden und befindet sich im ersten Lehrjahr der dreijährigen Ausbildung zum Buchhändler.

Portrait Darjan Böller in der Buchhandlung Librium Bücher

Du hast deine Lehre im vergangenen Sommer angefangen – jetzt hast du gerade dein erstes Weihnachtsgeschäft hinter dir. Was sind deine Eindrücke?

Ganz zu Beginn war es schon sehr viel Input. Ich hatte ja noch überhaupt keine Routine, alles war neu. Doch mittlerweile hat sich das meiste etwas eingependelt. Mir gefällt es, dass ich bereits einiges an Verantwortung übernehmen kann. Im Buchhandel geht das relativ schnell, verglichen zum Beispiel mit meinen Kollegen, die hauptsächlich im IT-Bereich in der Ausbildung sind. Im November und Dezember ist definitiv viel mehr los als unter dem Jahr. Es gibt mehr Bestellungen und eine höhere Nachfrage nach Beratungen, denn Bücher sind beliebte Geschenkartikel. Natürlich braucht auch das Geschenke einpacken selbst zusätzlich Zeit. Der Einsatzplan wird für das Weihnachtsgeschäft jedoch entsprechend angepasst, so dass wir zu diesen Spitzenzeiten stärker besetzt sind.

Entspricht deine bisherige Arbeit in der Buchhandlung deinen Erwartungen? Gibt es Bereiche, in denen du dir mehr oder weniger erhofft hast?

Nun, ich dachte, dass ich etwas mehr Zeit im Laden verbringen würde, aber ich schätze die Balance zwischen den Tätigkeiten im Backoffice und den Arbeiten im Kundenbereich. Wir sind viel auf den Beinen, stehen oft. Da ist es angenehm, wenn man sich im Büro mal hinsetzen kann, um E-Mails zu beantworten oder Bestellungen zu bearbeiten. Ich habe auch andere Berufe in Betracht gezogen wie Zimmermann / Zimmerin EFZ oder Fachmann/-frau Information und Dokumentation EFZ – und eben Buchhändler/in EFZ. Durch das Schnuppern in diesen verschiedenen Bereichen konnte ich mir ein recht klares Bild von meinem beruflichen Alltag machen – und ja, insgesamt deckt es sich sehr gut mit dem, was ich mir vorgestellt habe.

Was hat dich dazu geführt, dich für eine Buchhändlerlehre zu entscheiden?

Ich habe mich schon immer für Bücher interessiert und liebe Geschichten. Es überrascht wohl kaum, dass ich gerne lese (lacht). Während meiner Zeit an der Bezirksschule war die Berufswahl ein wichtiges Thema, und ich hatte die Lehre schon immer im Blick. Ausserdem hat meine Mutter im Bereich der Bibliotheksförderung gearbeitet. Da war der Buchhändlerberuf recht nahe. Die Kombination aus Kundenkontakt und Austausch auf der einen Seite und administrativen Tätigkeiten im Backoffice, wo man in Ruhe für sich einer Arbeit nachgehen kann, auf der anderen Seite, hat mich angesprochen.

Gibt es bestimmte Bücher oder Genres, die dich besonders interessieren?

Auf jeden Fall. Ich bin ein grosser Fan von Krimis und Thrillern! Besonders gerne mag ich die Bücher von Stephen King. Wobei ich seit Lehrbeginn viel mehr lese als früher und auch mehr aus verschiedenen Genres. Da sind zum Beispiel die Bücher, die wir in der Berufsschule behandeln, klassische Literatur, was bei diesem Beruf einfach mit dazu gehört. Und natürlich ist es wichtig, die Neuerscheinungen zu kennen. Im Team tauschen wir regelmässig Informationen aus und besprechen, was gerade wichtig ist zu wissen.

Während meiner Ausbildung haben wir in der Theorie die Grundlagen des geschlossenen Warenwirtschaftssystems gelernt. Das war am Kommen, aber noch Zukunftsmusik. Um zu wissen, welche Bücher nachbestellt werden müssen, verwendeten wir sogenannte Buchlaufkarten. Ich nehme an, die sind inzwischen endgültig Geschichte?

Nur fast (schmunzelt). Eine unserer Lehrerinnen arbeitet in einer kleinen Buchhandlung, in welcher das Bestellwesen tatsächlich noch immer anhand von Buchlaufkarten abgewickelt wird. Allgemein ist die Warenwirtschaft jedoch komplett digitalisiert. Inzwischen erhalten wir sogar die Lieferscheine nur noch elektronisch. Das erleichtert es, den Überblick zu behalten. Aber natürlich ist vieles lahmgelegt, sobald das WLAN mal nicht läuft. Auch die Nachschlagewerke sind zentral in einem System zu finden: die Kataloge des Zwischenbuchhandels, einschliesslich der Verzeichnisse für musikalische Notenbücher, Landkarten und weitere Medien wie Hörbücher oder E-Reader. In der Schule ist der Wandel der Branche durch die Digitalisierung oft Thema – gemeinsam mit der Buchpreisbindung, die in der Schweiz abgeschafft wurde und dem Remittendenrecht, das sich immer wieder ändert.

Als Buchhändler oder Buchhändlerin bewegt man sich in einer Schnittstelle von Verkauf, Literatur Kultur und Wissensvermittlung. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen für diesen Beruf?

Sicher reicht es nicht aus, einfach nur gerne zu lesen. Am wichtigsten finde ich, ist die Interaktion mit den Kunden und Kundinnen. Das muss man schon mögen. Und sicher braucht es ein ausgeprägtes Interesse an Literatur und an Sprache, sonst wird man in einer Buchhandlung wohl kaum glücklich.

Herzlichen Dank Darjan, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir zu sprechen. Ich wünsche dir für deine Buchhändlerlehre alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

Und ganz zum Schluss haben wir noch zwei besondere literarische Leckerbissen – die persönlichen Favorites des angehenden Buchhändlers und der ehemaligen Buchhändlerin aus unserem Gespräch:

Lieblingsbuch von Darjan Böller
Buchcover «Mr. Mercedes» von Stephen King
Bildquelle:
shop.librium.ch

«Mr. Mercedes» von Stephen King ist ein fesselnder Thriller, in dem ein Polizeibeamter im Ruhestand einem gefährlichen Mörder namens Mr. Mercedes auf der Spur ist. Die Jagd wird zu einem nervenzerreissenden Katz-und-Maus-Spiel, sodass ich bis zur letzten Seite in den Bann des Buches gezogen wurde. Die Hörbuchversion, gelesen von David Nathan, kann ich ebenfalls wärmstens empfehlen.

Lieblingsbuch von Evelyn Hartmann
Buchcover «Was man von hier aus sehen kann» von Mariana Leky
Bildquelle:
shop.librium.ch

Mariana Lekys wunder-licher Roman «Was man von hier aus sehen kann» erzählt von einer überaus beschaulichen Welt – so menschenfreundlich, poetisch und kurios, dass ich mich buchstäblich vom Fleck weg in sie verliebt habe. Tipp: Auch das Hörbuch, zauberhaft gelesen von Sandra Hüller, ist sehr empfehlenswert.

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