Feuer, Sand und 3D-Druck: Neue Wege in der Giesserei
16.04.2024 von Evelyn Hartmann Reportage
Von der Strassenkappe bis zur Designer-Leuchte
«Mit etwa 45 Mitarbeitenden hat die Eisengiesserei Mezger AG eine optimale Grösse», meint Dieter Diebold, langjähriger Leiter des Giessereibetriebs in Kallnach. Da könne man noch ein persönliches, familiäres Betriebsklima fördern. «Letztlich kann ich nur so gut sein wie mein Team. Nur wenn sich die Leute bei der Arbeit wohl fühlen, können wir wirklich etwas bewegen», fügt der ursprünglich gelernte Modellbauer und Giessereitechniker hinzu (Ausbildungen in Deutschland). Was hier bewegt wird, sind jährlich rund 2'500 Tonnen Gussteile, hauptsächlich für Kunden aus der Maschinenindustrie, der Gas- und Wasserversorgung, dem Motoren- und Werkzeugbau sowie privaten Auftraggebern. Abseits vom gossen Massengeschäft mit «Fliessbandcharakter» sind es vor allem Klein- und Mittelserien, die bei Mezger produziert werden – von Strassenkappen über Maschinenbau und Motorteile bis hin zu individuellen Sonderanfertigungen, wie etwa den Leuchten der Grand Pont in Lausanne. Dank der enormen Bandbreite ganz unterschiedlicher Aufträge bleibt der Arbeitsalltag besonders abwechslungsreich und interessant. Davon zeugen auch die 2'500 aktiven Modelle, die im Einsatz sind, ergänzt durch weitere 500 in der Handformerei. Und die vielfältigen Möglichkeiten, die der 3D-Sanddrucker von ExOne eröffnet, sind bereits jetzt, nach nur wenigen Jahren, kaum noch wegzudenken.
Von alten Maschinen und 3D-Technologie
«Man kann’s heute zeichnen und morgen in die Hand nehmen – das ist das Schöne am 3D-Druck», bringt es Bernt Brettholle, Verantwortlicher in der Arbeitsvorbereitung (AVOR), auf den Punkt. Durch den Einsatz von CAD-gestützten 3D-Druckverfahren lässt sich sogar der alte Hürlimann-Traktor (1939 – 1944) flugs wieder zum Leben erwecken, um nur ein Beispiel zu nennen. Denn wer fertigt heute noch regulär die Komponenten an, die dereinst in Dampfschiffen oder anderen Nostalgie- und Liebhaberobjekten verbaut wurden? Im Reverse Engineering kann man Bauteile problemlos nachbilden, indem man das zu ersetzende Element einscannt und am CAD rekonstruiert. Anhand dieser Daten wird anschliessend die Abgussform aus Sand gedruckt und eine exakte Gussreplik als Ersatzteil hergestellt. Der überschüssige Sand wird elegant recycelt und für weitere Druckvorgänge wieder aufbereitet. Gerade was den Sonderguss und die Fabrikation komplexer Formen und Kerne angeht, überzeugen die Vorteile digitaler Techniken. Doch die Kunden profitieren insgesamt von der umfassenden Unterstützung, die neu aus nur einer Hand erfolgen kann: Von der Entwicklung über das Engineering bis hin zur Produktion. Darüber hinaus verkürzen sich die Lieferzeiten und das bei unverminderter Top Qualität.
Immer ein paar Schritte voraus – Giessereiberufe haben Perspektive
«Man muss immer ein paar Schritte vorausdenken», so Diebold. Das gilt für Investitionen in neue Technologien gleichermassen wie für die Arbeit in der Giesserei selbst. «Es ist ein wenig wie mit den Legos», ist Trajche (23), der seine Ausbildung zum Gussformer 2023 erfolgreich abgeschlossen hat, überzeugt und schmunzelt, «wenn man es sich vorstellen kann, kann man es bauen. Ohne räumliches Vorstellungsvermögen kommt man in unserem Beruf nicht weit – wobei es natürlich auch handwerkliches Geschick braucht.» Derzeit bildet er sich intern im CAD weiter und erzählt: «Es ist ein tolles Gefühl, wenn man alles von A bis Z, vom Einscannen bis hin zum Giessen, selber hergestellt hat. Es gibt einfach unglaublich viel, was man in einer Giesserei machen kann.» Neben dem Beruf zum/zur Gussformer/in EFZ bildet Mezger ebenfalls zum/zur Gusstechnologe/-in EFZ aus. «Wir haben viel Verantwortung – schon allein, was die Sicherheit angeht. Immerhin arbeiten wir mit schweren Maschinen, heissem Eisen und mit Chemikalien, da muss man bei der Sache sein», ergänzt Pedro (32), der sich im zweiten Lehrjahr zum Gussformer befindet, nachdem er hier zunächst als Gussputzer tätig war und verrät: «Ich bin besonders gerne im Schmelzbetrieb. Wobei der Kunstguss und das Fertigen von richtig grossen Objekten ebenfalls sehr spannend ist.»
Mit Wissen, Erfahrung und Glück in die Zukunft
«In der Giesserei sind Allrounderinnen und Allrounder gefragt, Leute, die vielseitig sind und offen für Neues», betont Diebold und setzt lachend nach: «Es braucht Wissen, Erfahrung und manchmal etwas Glück!» Denn ob sich eine Investition auch längerfristig bewährt, zeigt sich letztlich immer erst im Nachhinein. Dass man Giessereien anders gestalten kann als zu rein analogen Zeiten, zeigt sich hier auf Schritt und Tritt – allein die Gebäude sind auffallend hell und sauber. Und zusätzlich zu den modernen Anlagen und der hohen Automatisierung ist auch schon die nächste Innovation im Gespräch. Ob sich die Anschaffung eines 3D-Druckers, der die Formen gleich fräsen kann, lohnen könnte, wird zurzeit noch abgeklärt. Trajche ist beim Testen und Pröbeln bereits aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt, während er seine eigenen beruflichen Schritte in die Zukunft ebenso sorgfältig am Abwägen ist.